Fotogalerie: Promitalk 2025 - «Abgelegen und begehrt: Die Arktis im Brennpunkt der Weltpolitik»

Eine entmilitarisierte Zone als langfristiges Ziel

Alena Birrer begrüsste als Vertreterin der Kommission für Öffentlichkeitsarbeit der SRG Zürich Schaffhausen und nützte die Gelegenheit, die Trägerschaft der SRG vorzustellen: «Wir begleiten das Programm freundschaftlich-kritisch und schaffen so eine Brücke zwischen dem Publikum und den Redaktionen.» Als der Abend «Die Arktis im Brennpunkt der Weltpolitik» konzipiert wurde, war – leider – noch nicht absehbar, wie aktuell das Thema sein werde. Das Gespräch wurde von zwei Dolmetschern in Gebärdensprache übersetzt.

Die Gesprächsleiterin Susanne Sorg begrüsste den stellvertretenden Chefredaktor von Radio SRF, Fredy Gsteiger, den Divisionär a.D. Claude Meier und den Skandinavien-Korrespondenten Bruno Kaufmann. Sie leitete mit drei Konfliktfeldern in der Arktis ein: Es geht um Bodenschätze, um Verkehrswege und um geopolitische Machtverhältnisse sowie die Unabhängigkeit von Grönland. In dieser Auseinandersetzung der Grossmächte werden die Inuit zunehmend an den Rand gedrängt.

Claude Meier blickte eingangs zurück auf den Kalten Krieg. Die Arktis wurde damals zur am stärksten militarisierten Region der Erde, denn der kürzeste Weg zwischen den USA und der Sowjetunion führte über die Arktis. Michael Gorbatschow strebte eine atomwaffenfreie und demilitarisierte Arktis an, initiierte Gespräche zwischen den Grossmächten zu allen Themen in der Arktis mit Ausnahme der militärischen Sicherheit. Der Überfall von Russland auf die Krim dämmte diesen Dialog ein, der mit dem Angriff auf die Ukraine 2022 ganz zum Erliegen kam.

Zur wissenschaftlichen Arbeit führte Fredy Gsteiger aus, dass ein Austausch zwischen verschiedenen Forschungsprojekten stattfinde. Bilaterale Diskussionen zwischen Arktis Anrainern, etwa zwischen Kanada und Dänemark, fänden konstruktiv statt, weniger freundlich seien Gespräche zwischen den Grossmächten, zwischen Norwegen und Russland und jetzt, seit dem Amtsantritt von Donald Trump, zwischen den USA und Dänemark um Grönland.

Die Situation in Grönland schilderte Bruno Kaufmann. Die Insel rückte während des Zweiten Weltkriegs ins Zentrum des Interesses. Während auch die USA und Norwegen daran interessiert waren, gelang es Dänemark, sich Grönland einzuverleiben. Die «Dänisierung» der Inuit war äusserst problematisch, sie wünschten sich, dass die Herrschaftsansprüche von Dänemark nicht andauern, doch auch eine Annexion durch die USA wäre nicht im Sinn der Bevölkerung: «Sie wollen eine Arktis, in der man miteinander spricht, auf jeden Fall nicht im Zentrum kriegerischer Auseinandersetzungen stehen.»

Zur strategischen Situation schilderte Claude Meier, dass sich sieben Nato-Länder und Russland feindlich gegenüberstehen. Mittendrin befindet sich Grönland. Es brauche viel Zeit für den Informationsaustausch, es gebe immer wieder Rückschläge, doch die vom Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik initiierten inoffiziellen Gespräche unterhalb des diplomatischen Levels seien unabdingbar. Dies gelte auch für die Medien, wie Fredy Gsteiger ausführte, denn viele Informationen erhalte man nur im informellen Bereich. Hier finde auch ein Austausch zwischen verschiedenen Medien, Ländern, NGO, auch mit Leuten von Thinktanks und Armeeangehörigen statt.

Bruno Kaufmann setzte beim Thema Zeit an. Diese brauche es, um Vertrauen aufzubauen, der Voraussetzung, um authentische Gespräche zu führen. Er pflege daher Kontakte im ganzen Gebiet, das er betreue: «Kollegen, die aus aktuellen Gründen erstmals in ihrem Leben nach Grönland fliegen, staunen, dass ihnen niemand Auskunft gibt.» Auch für ihn bestehe ein Problem in Grönland darin, dass er sich mit ihnen nur in Dänisch austauschen könne, einer Sprache, die zwar verstanden, aber nicht gerne gesprochen werde.

Ist es heute möglich, an der russischen Arktisküste für eine Reportage zu recherchieren, erkundigte sich Susanne Sorg. Bruno Kaufmann verneinte: Einerseits bestehe ein enormes wirtschaftliches Gefälle zwischen der russischen und der benachbarten norwegischen Bevölkerung. Zweitens habe sich die Krise im russischen Teil mit dem Ukrainekrieg verschärft, weil hier in grossem Stil Soldaten rekrutiert worden seien, die kaum lebend zurückkommen. Zudem sei die Region so stark militarisiert, dass Russland keine Journalisten wünsche. Fredy Gsteiger ergänzte, die Redaktion wolle keinen toten Journalisten für eine Geschichte aus einer derart gefährlichen Region riskieren. Er räumte ein, dass Grönland erst mit den strategischen Konflikten zu einem Thema geworden sei, zumal dafür teure Reisen erforderlich seien.

Indigene Vertreter aus Kanada, Norwegen, Grönland, nicht aus Russland, nähmen an den informellen Gesprächen teil, führte Claude Meier aus. Auch er betonte die Bedeutung der Pflege von Beziehungen. Sind die verschiedenen indigenen Völker miteinander vernetzt, erkundigte sich Susanne Sorg. Bruno Kaufmann antwortete, dass sie ähnliche Sprachen sprechen und sich oft auch miteinander verständigen. Das Internet, auch neue Flugverbindungen, erleichterten diesen Austausch. Im Arktischen Rat seien sie vertreten und der internationale Respekt habe ihnen gegenüber insgesamt zugenommen.

Ausgeklammert, auch im arktischen Rat, wird meist die Sicherheit. Nicht nur Russland habe aufgerüstet, auch China bezeichne sich als «near arctic state» und erhebe Ansprüche, leitete Susanne Sorg zum nächsten Thema über. Fredy Gsteiger betonte, die USA wollten die Hand auf Grönland legen, um China auf Distanz zu halten. Mit der Schmelze des Eises gebe es mehr kurze, günstige Verkehrswege, welche die USA nutzen wollten. Claude Meier ergänzte, dass sich die Grossmächte genau beobachteten. Komme eine Seite mit einem Flugzeugträger in die Arktis, entsende auch die andere einen. Wisse eine Seite nicht, was die andere plane, desto rascher werde eine Aktion als gefährlich betrachtet. Ohne Informationsaustausch seien militärische Eskalationen wahrscheinlicher.

Wie sieht es aus mit dem Atommüll, der in der Arktis deponiert werde. Bruno Kaufmann wurde einmal in der Zeit nach dem Kalten Krieg von einem russischen U-Boot Kapitän zum Nachtessen im Boot eingeladen. Auf die Besichtigung radioaktiver Abfälle habe er dann verzichtet. Es sei tatsächlich dramatisch, dass alte Atom-U-Boote aus der Sowjetzeit vor sich hin rosten: «Grosse Landabschnitte sind nicht kartiert, oft weiss man nicht, welches Frack sich wo befinde.

Auf die Frage, wem die Arktis gehöre, führte Fredy Gsteiger aus, ein grosser Teil sei internationales Gewässer, auch wenn verschiedene Anrainer ihre 200-Kilometer-Zone gerne ausdehnen möchten. Dabei seien viele Interessen übergreifend, etwa in der Klimapolitik, denn nirgends sehe man den Klimawandel so deutlich wie in der Arktis, ergänzte Bruno Kaufmann. Die Schweiz sei Beobachterin im arktischen Rat und unterhalte als einziges Land neben Russland eine Botschaft in Spitzbergen.

Ein Einzeldialog führe nie für sich allein zum Erfolg, doch die Schweiz verfüge über Trümpfe als Land ohne koloniale Vergangenheit und globale Machtansprüche, um Netzwerke zu beleben, stellte Claude Meier fest. Fredy Gsteiger verwies als Lösungsansatz auf den Antarktisvertrag, der nur wissenschaftliche Arbeit erlaubt, aber weder eine wirtschaftliche noch eine militärische Nutzung. Im Moment töne dies utopisch, aber es gebe viele gute Argumente dafür. «Trotz der politischen Eiszeit helfen sich russische und norwegische Schiffe gegenseitig, wenn eines in Seenot gerät», setzte Bruno Kaufmann einen positiven Schlusspunkt.

Text: Bernhard Schneider, Mitglied der Kommission für Öffentlichkeitsarbeit (KOA)

Bild: Urs Rey

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