Promitalk 2023
«Faszination Psychologie»: Die Kommission für Öffentlichkeitsarbeit der RFZ hat zum Promitalk eingeladen und das Publikum kam in Strömen. Die Radio Hall im SRF Campus Leutschenbach war bis auf den letzten Platz gefüllt, als Sina Blassnig ihre sorgsam zusammengestellte Runde begrüsste. Auf den Rängen blieb es ruhig und konzentriert bis zum Schlussapplaus.
Text: Bernhard Schneider, Mitglied Kommission für Öffentlichkeitsarbeit (KOA)
Das Gespräch fand in einer offenen Atmosphäre statt, Kontroversen blieben auf der Sachebene. Sina Blassnig liess unterschiedliche Positionen als solche stehen, ganz im Sinn des theoretischen Konsenses, dass Streit daraus entsteht, dass jemand «recht» haben will.
Das Verhältnis von Zuhörerinnen zu Zuhörern von «PSYCHOLOGOS» betrage 70 zu 30, erklärte Sara Taubmann. In der Gesprächsrunde befanden sich gar ausschliesslich Frauen. Interessieren sich Frauen mehr für Psychologie als Männer? Leiden sie eher unter psychischen Problemen?
Für Sara Taubmann besteht kein Zusammenhang zwischen dem Interesse an Problemen und den Problemen selbst. Gülsha Adilji vertrat die Meinung, die Menstruation spiele eine wesentliche Rolle im Umgang mit sich selbst. Stephanie Karrer antwortete, die meisten psychischen Probleme entstünden geschlechtsunabhängig in den ersten 1000 Tagen des Lebens. Dasselbe Problem äussere sich aber, bedingt durch die Sozialisierung, oft unterschiedlich. So sei Selbstverletzung keineswegs eine typisch weibliche Erscheinung. Männer suchten dazu aber eher eine Schlägerei, die zum selben Ergebnis führe, wie wenn man selbst ein Messer ansetze, um sich zu verletzen. «Männer», zitierte Sina Blassnig eine These, «sind eher aggressiv als traurig. Deshalb erkennt man ihre Depression nicht so leicht.»
Die Runde sollte freilich nicht zum Psychologie-Ratgeber werden, sondern populäre psychologische Publikationen diskutieren, die von der «Faszination Psychologie» leben. Weshalb publizieren die drei Frauen in der Form von Podcasts im Bereich der Psychologie?
Für Stephanie Karrer sind die Publikationen niederschwellige Angebote, um sich ein erstes Mal zu orientieren, wo sich die Probleme bewegen könnten. Gleichzeitig räumte sie ein: «Natürlich hat jede Publikation auch eine narzisstische Komponente.» Gülsha Adilji sieht sich gleichzeitig als Produzentin und als Konsumentin: «Ich suche Angebote, die ich verstehe. Und ich muss immer wieder hören, dass ich lernen muss, Grenzen zu setzen, bis ich es endlich tue.» Sara Taubmann betonte, ein Podcast könne nie eine Therapie ersetzen, aber sie könne dahinführen.
Kontrovers diskutiert wurde die Frage, ob die inflationäre Verwendung von Begriffen wie «Traumatisierung» oder «toxische Beziehung» zu einer Banalisierung echter Probleme führe. Nein, meinte Stephanie Karrer, «es ist gut, dass Wörter wie Depression oder Traumatisierung in der Alltagssprache angelangt sind. In der Therapie kann man diese Begriffe dann einordnen.»
Wo ist die Grenze des Persönlichen in solchen Publikationen? Muss man Ratsuchende vor sich selbst schützen? Gülsha Adilji, die sehr offen über ihre frühere «toxische» Beziehung, über ihre psychologische Strategie bei Dates, über ihren Libidoverlust spricht, plädierte dafür, sich öffentliche Aussagen genau zu überlegen: «Ich plärre scheinbar viel raus, aber alles überlegt. Ich bin mir bewusst, was ich mache, wenn ich etwas mitteile. Ich stehe seit 15 Jahren vor der Kamera.»
Die Gesprächsrunde
- Sina Blassnig, Gesprächsleiterin, Oberassistentin am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich, Mitglied der Kommission für Öffentlichkeitsarbeit.
- Gülsha Adilji, ehemalige Moderatorin Joiz, heute Kolumnistin, Redaktorin, Co-Host des SRF-Podcasts «Zivadiliring».
- Stephanie Karrer, MSc in angewandter Psychologie, Psychosoziale Familienbegleiterin, Expertin beim SRF Instragramformat «We, Myself and Why».
- Sara Taubman-Hildebrand, ehemalige Moderatorin g&g, Host des Podcasts «PSYCHOLOGOS», Produzentin und App-Entwicklerin, angehende Psychologiestudentin.
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